Die Diskussion um digitale Souveränität und informationelle Selbstbestimmung hat tiefgreifende Wurzeln, die bis in das Jahr 1971 zurückreichen. In diesem Jahr wurde das Gutachten „Grundfragen des Datenschutzes“ von Wilhelm Steinmüller und Bernd Lutterbeck im Auftrag des Bundesministeriums des Innern veröffentlicht. Dieses Gutachten gilt als Meilenstein, da es erstmals systematisch den Datenschutz und die Grundlagen der „informationellen Selbstbestimmung“ formulierte (Steinmüller und Lutterbeck 1971, zitiert in Grundrechteschutz, o. D.; Datenschutz-Wiki, o. D.)1. Es betonte die Notwendigkeit, dem Einzelnen die Kontrolle über seine persönlichen Informationen zu geben, um einem „Informationsungleichgewicht“ in modernen Informationssystemen entgegenzuwirken (JuWissBlog 2019)2.
Diese frühen Überlegungen bildeten die Grundlage für das später vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung im Volkszählungsurteil von 1983. Das Gericht stellte schon damals klar, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit untrennbar mit dem Schutz personenbezogener Daten verbunden ist (BVerfGE 65, 1)3. Die Idee, dass Bürger wissen und kontrollieren können müssen, wer was wann über sie weiß, wurde so zu einem zentralen Prinzip moderner Demokratien (Wikipedia, o. D.)4.
Seit den 1970er Jahren hat sich das Konzept stetig weiterentwickelt und umfasst heute weit mehr als beispielsweise den Schutz vor staatlicher Überwachung. Es betrifft nun auch den Umgang mit Daten in der Privatwirtschaft und die digitale Unabhängigkeit von Unternehmen und Staaten. Themen wie Datensouveränität, Transparenz und Open Source Anwendungen spielen dabei eine zentrale Rolle. Diese Entwicklung zeigt: Die Forderung nach informationeller Selbstbestimmung bleibt auch im Zeitalter durchgreifender Digitalisierung, die in alle Lebensbereiche eingreift, eine Blaupause für den Schutz individueller und kollektiver Freiheit. Doch nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für Unternehmen ist dieses Prinzip von zentraler Bedeutung. Der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens hängt maßgeblich davon ab, wie souverän es mit seinen Daten und Technologien umgehen kann.
Unternehmen, die auf proprietäre Software und externe Cloud-Dienste angewiesen sind, laufen Gefahr, die Kontrolle über sensible Geschäfts- und Kundendaten, sowie über Prozesse und Funktionen zu verlieren. Dies birgt nicht nur rechtliche und finanzielle Risiken, sondern gefährdet auch die Innovationsfähigkeit, Wettbewerbsposition und Reputation eines Unternehmens. Die digitale Souveränität umfasst daher weit mehr als den Datenschutz, wie wir ihn aus der DS-GVO oder anderen Quellen kennen: Sie erfordert transparente Technologien, die Möglichkeit zur Anpassung an individuelle Bedürfnisse und die Unabhängigkeit von großen Technologieanbietern. Open-Source-Lösungen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, da sie Unternehmen die Freiheit geben, ihre IT-Infrastruktur flexibel zu gestalten und zu kontrollieren. Diese Perspektive zeigt, dass digitale Souveränität nicht nur ein rechtliches oder ethisches Anliegen ist, sondern auch ein strategischer Erfolgsfaktor für Unternehmen sein kann.
Gegenüberstellung: Proprietäre Tools vs. Open-Source-Alternativen
Die Bedeutung digitaler Souveränität zeigt sich besonders deutlich, wenn Unternehmen die Wahl ihrer IT-Tools und Plattformen überdenken. Während proprietäre Lösungen oft mit Komfort und umfassenden Funktionen punkten, bieten Open-Source-Alternativen einen entscheidenden Vorteil: Sie ermöglichen Unabhängigkeit, Anpassungsfähigkeit und Kontrolle über Daten und Prozesse. Doch wie schneiden diese beiden Ansätze im direkten Vergleich ab? Im Folgenden werfen wir einen Blick auf einige der gängigsten Tools und ihre Open-Source-Pendants, um die jeweiligen Stärken und Schwächen zu beleuchten.
Microsoft Teams vs. BigBlueButton
Microsoft Teams5 bietet eine umfassende Plattform für Teamkommunikation, Dateiablage und Videokonferenzen. Besonders hervorzuheben sind die nahtlose Integration in die Microsoft 365 Suite und Funktionen wie automatische Untertitelung oder die Möglichkeit, Besprechungen aufzuzeichnen. Teams ist jedoch stark cloudbasiert und speichert Daten in Microsoft-Rechenzentren, was für Unternehmen mit hohen Datenschutzanforderungen problematisch sein kann.
BigBlueButton, die Open-Source-Lösung, wurde speziell für Videokonferenzen entwickelt und bietet Funktionen wie Breakout-Räume, Multi-User-Whiteboards und Präsentationsfreigaben. Es ist vollständig DSGVO-konform und kann lokal gehostet werden. Allerdings fehlen einige Komfortfunktionen wie automatische Untertitel oder eine native App, da BigBlueButton ausschließlich im Browser läuft.
Microsoft Teams (Chat) vs. Mattermost
Microsoft Teams6 ist bekannt für seine Benutzerfreundlichkeit und die Integration mit anderen Microsoft-Diensten. Es bietet Funktionen wie Threaded Chats, Dateiablage und Videoanrufe – ideal für allgemeine Teamkommunikation.
Mattermost, die Open-Source-Lösung, punktet mit hoher Anpassungsfähigkeit und der Möglichkeit zur lokalen Installation. Mattermost bietet spezielle Funktionen wie Kanban-Boards (Boards), Playbooks zur Automatisierung von Arbeitsabläufen und Multi-Tenant-Unterstützung. Allerdings fehlen in der Basisversion einige erweiterte Funktionen wie Single Sign-On oder tiefe Integrationen, die in der kostenpflichtigen Version verfügbar sind.
OneDrive vs. Nextcloud
OneDrive ist ein zentraler Bestandteil der Microsoft 365 Suite und überzeugt mit seiner tiefen Integration in Windows sowie Office-Anwendungen. Es bietet Funktionen wie automatische Synchronisierung, Versionierung von Dateien und umfangreiche Sharing-Optionen.
Nextcloud hingegen ist eine Open-Source-Plattform, die maximale Kontrolle über Daten ermöglicht. Mit Funktionen wie End-to-End-Verschlüsselung, Kollaborationstools (Collabora Online, Only Office) und der Möglichkeit zur lokalen Installation ist Nextcloud besonders für Unternehmen interessant, die Wert auf Diskretion im Bereich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse legen. Allerdings erfordert Nextcloud mehr technisches Know-how für Einrichtung und Wartung.
Microsoft Project vs. OpenProject
Microsoft Project7 ist ein leistungsstarkes Tool für Projektmanagement mit umfangreichen Funktionen wie Gantt-Diagrammen, Ressourcenmanagement und tiefer Integration in die Microsoft-Welt. Es eignet sich besonders für Unternehmen mit komplexen Projektanforderungen.
OpenProject, als quelloffene Alternative, bietet ähnliche Kernfunktionen wie Gantt-Diagramme, Zeitplanung und Budgetierung. Darüber hinaus überzeugt es durch Transparenz und Anpassbarkeit – insbesondere durch Self-Hosting-Möglichkeiten. Allerdings sind einige fortgeschrittene Features wie agile Scrum Boards oder Portfolio-Management nur in der kostenpflichtigen Enterprise-Version verfügbar.
Fazit
Open-Source-Lösungen wie BigBlueButton, Mattermost, Nextcloud oder OpenProject bieten Unternehmen hohe Flexibilität, Datenkontrolle und Kosteneffizienz. Sie erfordern jedoch oft mehr technisches Know-how bei der Implementierung und Wartung. Proprietäre Lösungen wie Microsoft Teams oder OneDrive punkten dagegen mit Benutzerfreundlichkeit, tiefen Integrationen und zusätzlichen Komfortfunktionen – allerdings auf Kosten der informationellen Selbstbestimmung.
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Quellen:
- Datenschutz-Wiki (o. D.): Informationelle Selbstbestimmung. Verfügbar unter: https://www.datenschutz-wiki.de/Informationelle_Selbstbestimmung (Abgerufen am 10.02.2025). ↩︎
- JuWissBlog (2019): Brauchen wir ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung 2.0? Verfügbar unter: https://www.juwiss.de/95-2019/ (Abgerufen am 10.02.2025). ↩︎
- BVerfGE 65, 1: Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 15. Januar 1983 – 1 BvR 209/83, 269/83, 362/83, 420/83, 440/83, 484/83, BVerfGE 65, 1. ↩︎
- Wikipedia (o. D.): Informationelle Selbstbestimmung. Verfügbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Informationelle_Selbstbestimmung (Abgerufen am 10.02.2025). ↩︎
- GetApp (o.D.): BigBlueButton vs. Microsoft Teams. Verfügbar unter: https://www.getapp.de/compare/102493/105615/bigbluebutton/vs/microsoft-teams (Abgerufen am 11.02.2025). ↩︎
- Heise online (o.D.): Freier MS-Teams-Konkurrent Mattermost 7.0 ist da. Verfügbar unter: https://www.heise.de/news/Freier-MS-Teams-Konkurrent-Mattermost-7-0-ist-da-7142580.html (Abgerufen am 11.02.2025). ↩︎
- OpenProject (o.D.): Open Source Alternative für Projektmanagement. Verfügbar unter: https://www.openproject.org/de/blog/open-source-alternative-projekt-management/ (Abgerufen am 11.02.2025). ↩︎